Erfolgsfaktoren agiler Organisationen

Schaut oder hört man sich heutzutage in Unternehmen um, begegnet man sehr oft dem Begriff Agilität oder dem Ausspruch „Wir müssen agiler werden!“. Was sind die Ursachen für diese Forderung? Und was die Konsequenzen für die Mitarbeiter? Diese Fragen wollen wir in diesem mosaiic-Impuls näher beleuchten und herausfinden, welchen aktuellen Herausforderungen man mit mehr Agilität begegnen sollte. Und was Erfolgsfaktoren für eine Entwicklung hin zu einer agilen Organisation sein können.

Aktuelle Herausforderungen im Alltag vieler Unternehmen

Es ist Montagmorgen und ich versuche einen Abstimmungstermin mit einem Kunden zu vereinbaren. Vergeblich! Seine Woche ist vollgepackt mit Terminen. Keine Möglichkeit einen 1h-Termin zu organisieren, ohne dass er dafür einen Regeltermin absagen müsste. Das ist der Alltag in vielen Unternehmen.

Zeitdruck

Zu diesem Alltag gehört auch ein immer größer werdender Termindruck. Produktentwicklungszeiten oder das, was man heute unter „time to market“ versteht, werden immer kürzer. Passt der Vorstand z.B. ein Projektziel an eine veränderte Marktsituation an, geschieht das bei gleichbleibender Terminschiene für die Fertigstellung. Die steigende Anzahl an Abhängigkeiten in den Prozessen verstärken den Termindruck noch weiter.

Aus der Perspektive des einzelnen Mitarbeiters bleibt am Ende oft das „Hamsterrad-Gefühl“: Alles dreht sich, nichts bewegt sich!

Was sind die Wurzeln dieser Probleme?

Der beschriebene Alltag steht häufig im Kontrast zu dem was als „New Work“ bezeichnet wird: „Arbeit soll das sein, was den Menschen stärkt und nicht schwächt“ (Frithjof Bergmann, 1984).

Doch liegen die Lösungen nicht auf der Hand. Um gute und nachhaltige Lösungen zu finden, lohnt es sich mehr Zeit in die Analyse von Problemen zu investieren. Daher versuche ich, die oben beschriebenen Erfahrungen aus der Mitarbeiter-Perspektive zu ergründen.

Welche zentralen Herausforderungen stecken in den geschilderten Erfahrungen:

  • Permanenter Zeitmangel
  • Hoher Termindruck
  • Viele Abhängigkeiten

Mehr Planänderungen, mehr beteiligte Disziplinen, mehr Abhängigkeiten…

Um Produkte erfolgreich zu vermarkten, ist ein hohes Maß an Innovation erforderlich. Das bedeutet, die Produkte von heute oder von morgen beinhalten immer ein hohes Maß an „Neuerungen“. Das kann sich in der Komplexität des Produktes selbst widerspiegeln oder in dessen Entstehungsprozess.

In der Produktentwicklung müssen immer mehr Disziplinen und Prozessschritte integriert werden, die in Abhängigkeit zueinander stehen.

Obwohl Mitarbeiter in produzierenden Unternehmen schon immer nach Meilensteinplänen und Prozessschritten gearbeitet haben, verstärkt die Steigerung der Parameter (mehr Planänderungen, mehr beteiligte Disziplinen, mehr Abhängigkeiten…) das schon vorher existierende Problem:

Der einzelne Mitarbeiter kann kaum unabhängig oder gar selbstbestimmt seine Arbeit tun. Es wird für ihn immer schwieriger, den Blick für das Ganze zu behalten und damit auch das Bewusstsein für die eigene Wirksamkeit.

Ursache und Folgen des permanenten Zeitmangels

MeetingAuf Grund der steigenden Komplexität in den Projekten und der steigenden Anzahl an beteiligten Disziplinen steigt auch die Anzahl der Abstimmungsrunden. Der Kalender ist gefüllt mit Regelterminen, in denen Informationen transportiert werden. Oft geht es dabei um Entscheidungen. Je kritischer die Entscheidung desto mehr Entscheidungsträger müssen „abgeholt“ werden. Das bedeutet noch mehr Termine. Die Folge der steigenden Zahl an Abstimmungsterminen ist die Tatsache, dass zum Bearbeiten von Aufgaben oder gar zur kreativen Ausarbeitung neuer Ideen kaum Zeit bleibt.

Ursache und Folgen des hohen TermindrucksSpeed

Mehr Zeit zur Entwicklung von Produkten (time to market) kann sich heute keiner nehmen, wenn er wettbewerbsfähig sein und bleiben will. Um dem resultierenden Termindruck etwas entgegenzusetzen, wird heute häufig mehr Agilität gefordert. Was in dem Kontext meist „Wir müssen schneller werden!“ bedeutet. Aber hier liegt vermutlich schon eine Erkenntnis, die sich zu einem Erfolgsfaktor entwickeln kann: Agiler werden ist nicht gleichzusetzen mit schneller werden. Und „schneller werden“ sollte auch nicht das Ziel, sondern ein Subprodukt agilen Arbeitens sein.

 

Wie können agile Organisationen die Herausforderungen lösen?

Betrachtet man die Produktentstehungsprozesse in großen Unternehmen, so sind diese noch immer geprägt von zähen, kaskadischen Entscheidungsprozessen und wenig Flexibilität für einzelne Teams oder gar den einzelnen Mitarbeiter.

Vielleicht gibt es schon Fortschritte in einzelnen Unternehmensbereichen: Zum Beispiel den schon angesprochenen agileren Umgang mit veränderten Marktsituationen und den daraus resultierenden schnelleren Anpassungen von Projektzielen. Aber ein agileres Verhalten in einem Unternehmenskontext kann auch Probleme in einem anderen Bereich des Unternehmens auslösen. In diesem Fall steigert man die Wahrscheinlichkeit, die Bedürfnisse des Marktes und die Anforderungen der Kunden mit dem angepassten Projektziel deutlich besser zu treffen. Jedoch fehlt es in den organisatorischen Strukturen und in gelebten Arbeitsweisen an Agilität, so dass es den Mitarbeitern gar nicht möglich ist, auf diese Planänderung ohne deutlich erhöhten Stressfaktor reagieren zu können.

Diese Kontroverse zeigt, dass das vereinzelte Einführen agiler Methoden nicht zielführend ist. Die Transformation zu einer agilen Organisation bedarf einer ganzheitlichen Betrachtung und muss Agilität als integralen Bestandteil aller Unternehmensbereiche verstehen. Dabei ist wichtig, dass Agilität keine aufgesetzte „Management-Methode“ sein darf, sondern die Art und Weise der Arbeit und Zusammenarbeit aller Mitarbeiter neu definiert.

Was sind die Erfolgsfaktoren für tatsächlich agiles Arbeiten in kleinen, aber auch großen Organisationen?

 

1. Agiles Mindset

Auch wenn dieser Ausdruck gerne als neumodisches Buzzword aufgenommen wird, ist seine Bedeutung für die erfolgreiche agile Transformation zentral!

Es geht dabei um Grundhaltung und auch um abgespeicherte Bilder in unserem Kopf. Ein Beispiel: Immer noch ist das am meisten verbreitete Bild für funktionierende Unternehmensprozesse die ineinandergreifenden Zahnräder und immer noch vergleicht man ein erfolgreiches Unternehmen mit einer gut geschmierten Maschine. Aber eine Maschine kann noch so gut geschmiert sein, die Geschwindigkeit, mit der man sie betreiben kann, ist begrenzt. Zum einen technisch und zum anderen dadurch, dass es eine zentrale Autorität geben muss, die an der Spitze der Pyramide die Hebel betätigt, damit sich die Mitarbeiter unten in Bewegung setzen (Frederic Laloux, Reinventing Organizations 2014).

Ein Erfolgsfaktor einer agilen Transformation ist somit, die alten Bilder im Kopf durch neue zu ersetzen, die dabei helfen, neue Sichtweisen zu verankern.

2. Agile Organisationsstrukturen

Das was Organisationen ausbremst, sind u.a. die schon angesprochenen vielen Abhängigkeiten und zähen Entscheidungsprozesse.

Wenn man eine agile Organisation werden möchte, muss man sich von einer stark pyramidalen Organisationsstruktur verabschieden und auf mehr Selbstorganisation der Teams setzen. Für diesen Wandel sind zwei Dinge notwendig:

  • mehr Selbstführungskompetenz auf Seiten der Mitarbeiter
  • mehr Vertrauen in die Selbstführungskompetenzen der Mitarbeiter seitens der Führungskräfte.

Diese Voraussetzungen stellen sich nicht von alleine ein. Selbstführungskompetenzen der Mitarbeiter müssen entwickelt und neue Führungsstile unter den „Führungskräften“ etabliert werden.

Leadership

Ein Ziel muss dabei sein, die heute gelebte Aufgabendelegation hin zu einer konsequenten Verantwortungsdelegation zu entwickeln. Damit kürzt man den langwierigen Prozess durch kaskadische Abstimmungsrunden ab und schafft eine win-win-Situation: Die Mitarbeiter profitieren aufgrund der dazugewonnenen eigenverantwortlichen Gestaltungsfreiheit und der Zeit, die sie z.B. in echte Entwicklungsarbeit oder gar innovative Ideen statt in Besprechungsmarathons investieren können. Das Management und das ganze Unternehmen profitiert von tatsächlich agileren Strukturen und damit von dem Potential z.B. auf die sich schnell verändernden Marktanforderungen ebenso schnell antworten zu können.

 

Um Abhängigkeiten zu reduzieren, ist es wichtig, wie man die Organisation „schneidet“ bzw. wie man Projektorganisationen aufsetzt. Um Kommunikationswege so kurz wie möglich zu gestalten, sollte man stärker auf crossfunktionale Teams setzen, die z.B. gemeinsam an einem Projektziel arbeiten. Das Team sollte aus den Experten bestehen, die für das Erreichen der Projektziele notwendig sind. Damit reduziert man zum einen Schnittstellen zwischen voneinander abhängigen Disziplinen, zum anderen erzielt man eine höhere Identifikation mit dem Endprodukt und mehr Motivation, Verantwortung zu übernehmen. Crossfunktionale Teams haben zudem den Vorteil, dass sie die Dinge immer aus verschiedenen Perspektiven betrachten und damit eine sehr gute Basis für das Fällen von Entscheidungen besitzen. Auch ohne Projektcharakter, kann man die Zusammenstellung von Teams stärker integrativ ausrichten und nicht als Zusammenschluss von Spezialisten in einer „Fachabteilung“ betrachten.

3. Agile Management- und Projektmethodiken

Die oben beschriebene Transformation zu einer agilen Organisation kann nur gelingen, wenn man unter den Mitarbeitern und Führungskräften agile Methoden etabliert.

Teamwork

Um sicherzustellen, dass Entscheidungen auch dann gut und zielführend sind, wenn sie keine langwierigen Prozesse durchlaufen oder nur von ausgewählten Entscheidungsträgern getroffen werden, braucht es Alternativen. Zum Beispiel indem man festgelegt, dass prinzipiell jeder Mitarbeiter Entscheidungen selbst treffen darf, solange er sich vor dem Treffen einer Entscheidung die Meinung mindestens eines Kollegen eingeholt hat. So beschreibt Frederic Laloux in Reinventing Organizations den sogenannten „Beratungsprozess“. Es kann verschiedene Varianten des Beratungsprozesses geben, die z.T. bei Uneinigkeit einen stufenweise zu erweiternden Kreis an Beteiligten einbezieht. Allen Varianten liegt aber zu Grunde, dass der einzelne Mitarbeiter Entscheidungsgewalt erhält und damit Entscheidungsprozesse deutlich beschleunigt werden.

Um alle Mitarbeiter selbstständig oder auch selbstorganisiert arbeiten zu lassen und sie trotzdem hinter einem Unternehmensziel zu vereinen, kann man „OKR“ als agile Management-Methode einführen. OKR bedeutet Führen mit Objectives and Key Results. „Es handelt sich um ein Rahmenwerk für modernes Management, das die einzelnen Aufgaben von Teams und Mitarbeitern mit Unternehmensstrategie, -plänen, und -vision verknüpft. Dabei teilt die OKR-Methode Ziele in qualitative Objectives und quantitative Key Results auf.“ (wikipedia.org). Mit OKR gibt man jedem Mitarbeiter und jedem Team Orientierung, ob das eigene Tun auch auf das Unternehmensziel einzahlt. Lesen Sie hier die mosaiic Erfahrung mit OKR.

Agile Projektmethoden wie Scrum bilden gerade in Entwicklungsprojekten eine weitere Grundlage für selbstorganisiertes agiles Arbeiten. „Scrum baut auf hochqualifizierte, interdisziplinär besetzte Entwicklungsteams, die zwar eine klare Zielvorgabe bekommen, für die Umsetzung jedoch allein zuständig sind. Dadurch bekommen die Entwicklungsteams den nötigen Freiraum, um ihr Wissens- und Kreativitätspotenzial in Eigenregie zur Entfaltung zu bringen.“ (wikipedia.org) Die Scrum-Methode ist ein Rahmenwerk für ein iteratives Vorgehen, das stark auf die „Fail fast“-Philosophie setzt.

Fazit

Bei der agilen Transformation kommt es vor allem auf die Erkenntnis an, dass vereinzeltes Einführen agiler Methoden lediglich ein „Schmieren“ der Maschine darstellt. Erfolgsversprechend ist nur ein ganzheitlicher Ansatz, der alle Bereiche

  • Agiles Mindset
  • Agile Organisationsstrukturen und
  • Agile Management- und Projektmethoden

gleichermaßen umfasst. Doch der Transformationsprozess lohnt sich! Man schafft sowohl die Grundlage für Wettbewerbsfähigkeit als auch ein Arbeitsumfeld, das den Menschen stärkt, statt ihn zu schwächen.

Interessieren Sie sich für die Entwicklung hin zu einem agilen Unternehmen? Kontaktieren Sie uns gerne! Wir von mosaiic beraten und begleiten Sie auf diesem Weg mit ganzheitlichen und integrierten Beratungsansätzen im Bereich Organisationsentwicklung, Prozessoptimierung sowie gezieltem Aufbau und Verankerung von agilen Methodenkompetenzen (z.B. OKR oder Scrum, etc.).