OKR als agile Managementmethode – ein Selbstversuch

Als Unternehmensberatung und „Brückenbauer“ zwischen Business und IT arbeiten wir täglich mit agilen Methoden. In der IT-Branche sind agile Entwicklungsmethoden schon sehr verbreitet, aber was gibt es darüber hinaus für uns als Beratungsunternehmen in der agilen Toolbox? In Vorbereitung auf unseren jährlichen Strategieworkshop haben wir uns nach Evaluierung verschiedener Möglichkeiten dafür entschieden, OKR als agile Managementmethode einzuführen.

Was das ist, warum wir uns dafür entschieden haben und welche ersten Erfahrungen wir gesammelt haben, lesen Sie in unserem neuen mosaiic-Impuls „OKR als agile Managementmethode – Ein Sebstversuch”.

OKR – was ist das?

Für diejenigen unter uns, die sich für Management-Methoden interessieren, ist die Abkürzung OKR gewiss kein Novum mehr. OKR steht für Objectives an Key Results und wurde ursprünglich von INTEL-Mitgründer Andrew Grove entwickelt. Seinen heute so hohen Bekanntheitsgrad verdankt die OKR-Methode aber vor allem Google. Der Suchmaschinenanbieter setzt diese Methode bereits seit 1999 erfolgreich ein und hat somit maßgeblichen Anteil am Bekanntheitsgrad.

Aber was steckt nun konkret dahinter? Wikipedia beschreibt die OKR-Methode wie folgt: „Objectives and Key Results ist ein Rahmenwerk für modernes Management, das die einzelnen Aufgaben von Teams und Mitarbeitern mit Unternehmensstrategie, -plänen, und -vision verknüpft. Objectives und Key Results sollen objektiv feststellbar bzw. messbar sein und vom gesamten Unternehmen eingesehen werden können.“[1]

Es geht also um das Verknüpfen von Unternehmenszielen mit den konkreten Aufgaben der Teams, wobei die Unternehmensziele als qualitative Objectives beschrieben werden und daraus konkret messbare Key Results abgeleitet werden. Klingt vorerst nicht revolutionär, sondern nach einem von vielen Ansätzen, die versuchen, die auf hoher Flugebene formulierten Unternehmensziele, auf die Ebene der Mitarbeiter „runter zu brechen“. Betrachtet man allerdings die Beschreibung von Ben Lamorte, einem der international führenden OKR-Business Coaches, so lässt sich darin schon eher erkennen, auf was es ankommt: „OKR ist ein Rahmenwerk für kritisches Denken und andauernde Disziplin, das danach strebt, dass Mitarbeiter zusammen arbeiten, sich fokussieren und messbare Beiträge schaffen, die das Unternehmen voran bringen.“[2]

Hier wird deutlich klarer, dass man in einer Zeit der vollen Terminkalender und der nicht allzu selten aufkommenden Sinnkrise („Für was mache ich das eigentlich alles?“) versucht, ein passendes Instrument zum Fokussieren auf die vom Unternehmen als richtig und wichtig eingestuften Dinge anzubieten. Das wiederum verleiht dem eigenen Handeln mehr Sinn, da es spürbar und nachvollziehbar auf ein größeres Ziel einzahlt. Was aus La Mortes Formulierung aber auch deutlich hervorgeht, ist, dass es sich keineswegs um eine zu den Unternehmenszielen passenden ToDo-Liste handeln soll, sondern jeden dazu auffordert analytisch und kritisch zu denken, was die Basis für selbstständiges, lösungsorientiertes Handeln ist. Nicht zuletzt liegt die Betonung bei Lamorte auf der Zusammenarbeit in Teams und der eingeforderten „andauernden Disziplin“. Während wir in der heutigen „agilen“ Arbeitswelt gewohnt sind, erfolgreich in Teams zu arbeiten, so stellt doch die eingeforderte andauernde Disziplin eine große Herausforderung dar. Dazu aber später mehr in den Erfahrungen aus unserem Selbstversuch.

Zur genaueren Vorstellung der Methode sollten wir unser Augenmerk noch einmal darauf richten, was sich hinter den Objectives und Keyresults verbirgt und welche weiteren Begriffe darüber hinaus existieren. „die.agilen“ liefern hierzu eine gute Zusammenfassung und gute Tipps:

Ein Objective ist eine präzise Aussage über ein umfassendes qualitatives Ziel, das die Organisation in eine bestimmte Richtung voran zu treiben versucht [3]. Dabei ist vor allem darauf zu achten, dass sie nach den QUBA-Kriterien entwickelt und formuliert werden [4]:

  • Qualitativ und übergeordnet
  • Umsetzbar
  • Balance zwischen inspirierend und erreichbar
  • Abgeleitet vom Unternehmensleitbild

Man sollte sich zur Erreichung einen Zeitraum von 3 Monaten gewähren und nicht mehr als 5 Objectives gleichzeitig verfolgen.

Pro Objective sollte man ca. 5 Keyresults definieren. Diese sollten SMAAART formuliert werden [5]:

  • Spezifisch
  • Messbar
  • Akzeptiert
  • Ambitioniert und erreichbar
  • Abgeleitet vom Objective
  • Realistisch
  • Terminiert

Während SMART eine gängige Methode ist, um z.B. Anforderungen zu beschreiben, so fallen hier die zwei zusätzlichen „A“s ins Auge. Dass Keyresults von einem Objective abgeleitet werden sollen, liegt auf der Hand, aber der Eigenschaft „ambitioniert“ sollte man mehr Aufmerksamkeit schenken. Hier wird deutlich, dass der Erfolg der OKR-Methode darauf basiert, sich wirklich ambitionierte Ziele zu stecken und nicht solche, die man sicher erreichen kann. Nicht die 100% Zielerreichung steht im Vordergrund, sondern, dass das Ziel eine Herausforderung darstellen soll. Dafür nimmt man in Kauf, dass man ggf. nur einen 80%-Lösung erhält.

Um das OKR-Framework vollständig zu beschreiben müssen auch das „Leitbild“ und die „Moals“ erwähnt werden. Objective und Keyresults sind die granulareren Einheiten, die nur Sinn ergeben, wenn sie wiederum auf ein größeres Ziel einzahlen. Das sind laut „die.agilen“ in diesem Fall das „Leitbild“, welches die Vision und Werte eines Unternehmens ausdrücken sollte und die aus diesem Leitbild abgeleiteten Moals. Moals sind sogenannte Mid-term-goals, die den Zeithorizont eines Jahres haben.

Zum OKR-Framework gehören, ähnlich wie bei anderen agilen Frameworks wie z.B. SCRUM, regelmäßige Events [6]:

  • OKR-Planning
  • Weekly-OKR
  • OKR Review und
  • Retrospektive

Es sollte eine OKR-Liste geben, in der alle OKRs für alle einsehbar gemonitort werden und nach Möglichkeit einen OKR-Master, dessen Mission es ist, sicherzustellen, dass das Unternehmen mit OKR anhaltend Erfolg hat.

Mehr über das OKR-Framework mit all seinen Events und Objekten erfahrt Ihr unter die.agilen -> okr -> okr-framework .

OKR-Framework

Abbildung 1: OKR-Framework / Quelle: die.agilen

Warum wir uns bei mosaiic für die OKR-Methode entschieden haben

In unserem Strategieworkshop ging es vornehmlich darum für unser Beratungsunternehmen eine generelle Vision und daraus abgeleitet auch eine für das Jahr 2020 geltende Strategie bzw. Mission zu formulieren. Diese Aufgabe wurde traditionell erst einmal im Managementkreis bearbeitet. Parallel arbeitete ein Team an einer Methode, wie man nun eine neue Vision oder auch Mission erfolgreich im Unternehmen ausrollt.

Die Erfahrung hatte schon häufiger gezeigt, dass die Verknüpfung zwischen Strategie und Tagesgeschäft die eigentlich große Herausforderung darstellt. Bei der Suche nach Lösungsansätzen schien uns die OKR-Methode am besten geeignet. Ein kurzer Check, wie gut diese Methode unsere identifizierten Probleme lösen und vor allem zu uns passen würde ergab folgendes Ergebnis:

Die OKR-Methode könnte folgende unserer aktuellen Probleme lösen:

  • Verknüpfung zwischen Strategie und Tagesgeschäft: Wie in so vielen Unternehmen, ist es auch bei uns eine Herausforderung das Gefühl zu generieren, dass das Tun jedes einzelnen Mitarbeiters auf ein strategisches Ziel einzahlt und das Strategie und Tagesgeschäft nicht voneinander losgelöst betrachtet werden können bzw. sollen. Hier setzen wir große Hoffnung auf die OKR-Methode, Transparenz und vor allem Durchgängigkeit von großen strategischen Zielen bis zu kleinen Daily-Business-Zielen zu erzeugen.
  • Verfolgung strategischer Ziele: Ein weiteres Problem, wenn es in der Vergangenheit um das Arbeiten an oder besser das Erreichen von strategischen Zielen ging, war das Durchhalten. Oft war der Fortschritt antiproportional zur Belastungsintensität der fakturierbaren Projektarbeit. Florierendes Kundengeschäft bedeutete immer den Blick auf naheliegende Projektziele zu richten und strategische Ziele aus den Augen zu verlieren. Die OKR-Methode soll es ermöglichen, dass das Arbeiten an strategischen Zielen nicht mehr als „Add On“-Tätigkeit verstanden wird, für die man sich Zeit nehmen kann, wenn gerade nicht ausreichend Kundengeschäft vorhanden ist.
  • Fokus auf die richtigen Dinge: Und auch hier befinden wir uns vermutlich in bester Gesellschaft, da es heutzutage nicht untypisch ist, dass die Vielzahl an Projekten und Aufgaben den Mitarbeiter zum Priorisieren zwingt. Die von ihm erforderliche Priorisierung erfolgt dann zwar nach bestem Wissen und Gewissen, aber oft ohne wirklich zu wissen, ob man nun das richtige priorisiert hat. Hier hoffen wir, dass die OKR-Methode uns hilft, stärker zu fokussieren und vor allem jedem einzelnen verdeutlicht, was auf welche Ziele einzahlt, um dadurch auch zielführender priorisieren zu können.
  • Schnelle Anpassungen: Oft sind die Prozesse zum Definieren und vor allem Ausrollen von Strategien eher langwierig und träge. Die heute immer wichtiger werdende Agilität haben wir in diesem Bereich bislang selten gespürt. Die OKR-Methode soll es ermöglichen, schneller umzupriorisieren und gemeinsam schnell auf Veränderungen reagieren zu können.

Ein weiteres Argument für das Einführen der OKR-Methode war die Tatsache, dass sie sehr gut zu unserer bestehenden Unternehmenskultur passt.

Die OKR-Methode könnte zu uns passen, weil wir …

… bereits flache Hierarchien und selbstverantwortliches Arbeiten leben.

… schon jetzt offen und transparent arbeiten und kommunizieren.

… alle gewohnt sind unter strategischen Gesichtspunkten zu denken.

… an die Vorteile von agilen Arbeitsmethoden glauben und ein hohes Maß an Agilität anstreben.

Den angeblich häufigsten Grund des Scheiterns, nämlich einer nicht zur OKR-Methode passenden Unternehmenskultur, sehen wir somit bei uns nicht gegeben.

Welche Erfahrungen wir bislang mit der OKR-Methode gemacht haben und wie wir weitermachen wollen

Das erste Quartal und damit unser 1. OKR Zyklus ist abgeschlossen. Alle oben beschriebenen Events (Planning, Review, Retrospektive) wurden durchlaufen. Und das waren unsere Erfahrungen:


1.OKR-Planning: Wir sind mit der vom Management formulierten Vision und den für 2020 abgeleiteten Moals (Mid-Term-Goals) in das Planning mit allen Mitarbeitern gestartet. Als Gruppe haben wir zu den Moals Objektives formuliert und diese geclustert. Aufgrund der Tatsache, dass es in unserem Unternehmen alle Mitarbeiter in multidisziplinären Teams arbeiten war keine direkte Zuordnung der Objectives (Cluster) zu konkreten Teams möglich.   Auf Grund dessen durfte jeder Mitarbeiter sich für ein oder mehrere Cluster melden, an deren Bearbeitung er sich beteiligen will. Nur wenn sich eine Gruppe von mindesten 2-3 Personen gefunden hatte, wurde eine Initiative bzw. ein Team zur Bearbeitung des einen Objectives oder der 1-3 geclusterten Objectives gegründet. Dieses Team formulierte und dokumentierte sich selbstständig seine Keyresults.

Was hat gut geklappt:
Die Interessen der Mitarbeiter waren so gut verteilt, dass sich für die meisten Moals auf Unternehmensebene ein kleines Team von Freiwilligen zusammengefunden hat und ein Objective formuliert werden konnte. Es musste nicht regulierend eingegriffen werden, um die Mitarbeiter auf Moals zu verteilen.

Was ist uns schwergefallen:
Die Regeln zum richtigen Formulieren von Objectives und Keyresults konnten nicht eingehalten werden. Bzw. es hätte zu lange gedauert, darauf zu achten, da es im ersten Zyklus zu viele vorgegebene Moals und damit auch zu viele Objectives waren.


1.OKR-Weeklys: Im ersten Zyklus (1. Quartal 2020), wurden 13 Initiativen bearbeitet. Die Abarbeitung der Keyresults erfolgte selbstorganisiert. Die meisten Teams haben sich ein OKR-Weekly-Termin eingestellt, in dem Aufgaben verteilt und Fortschritte besprochen wurden. Die Dokumentation der Initiativen und ihrer Fortschritte erfolgte zentral und transparent über ein Kollaborationstool (erst mit einem Trello-Board dann mit dem Windows365-Planner).

Was hat gut geklappt:
Kontinuierliches Bearbeiten der Keyresults und Dokumentation von Aufgaben und Fortschritt im Trello oder Planner

Was ist uns schwergefallen:
den Überblick über alle laufenden Initiativen zu behalten und trotz Projektstress uns auf die Vielzahl der Objectives gleichermaßen zu konzentrieren.


1.OKR Review: In einem 2 ½ h- Termin mit allen Mitarbeitern wurde der Fortschritt aller Initiativen vorgestellt, die Erreichung Key Results geprüft und entschieden, ob das Thema abgeschlossen ist oder ob ein zukünftiger Nutzen durch eine Weiterbearbeitung entsteht.

Was hat gut geklappt:
Den Fortschritt aller Objectives kurz und knapp vorzustellen und damit Transparenz zu schaffen, was in den einzelnen Teams erarbeitet wurde

Was ist uns schwergefallen:
Einen tieferen inhaltlichen Einblick in die Arbeit der einzelnen Initiativen zu bekommen.


1.OKR Retrospektive: In der Retrospektive haben alle Mitarbeiter mit Hilfe der Starfish-Methode bewertet, wie sie den ersten OKR-Zyklus empfunden haben. Als Ergebnis kann man folgendes Fazit ziehen:

  • Es waren zu viel Objektives und zu viele Initiativen, was das Gefühl einer Überfrachtung der Mitarbeiter mit zusätzlichen Themen gefördert hat. Als Maßnahme wurden die Moals vom Management priorisiert und für das Q2 auf 4 reduziert.
  • Die Formulierungen der Objectives und Keyresults ähnelten noch zu sehr einer ToDo-Liste. Hier hoffen wir, dass wir mit Hilfe unseres internen OKR-Masters (den man sich auf jeden Fall leisten sollte) eine stetige Verbesserung in den Formulierungen erzielen.
  • OKR wird unter den Mitarbeitern noch zu sehr als Methode für rein strategische Planung empfunden. Damit war auch im 1. OKR-Zyklus weiterhin das Problem gegeben, dass OKR-Tätigkeiten als zusätzliche Last neben dem Daily-Business empfunden wurden und nur bedingt eine Verknüpfung des täglichen Tuns mit der Unternehmensstrategie entstand. Als Maßnahme wurde die Einführung mehrerer OKR-Ebenen initiiert. Hierdurch soll klar werden, dass die Verfolgung strategischer Ziele zwar die höchste aber nur eine von verschiedenen Ebenen ist. Am Ende soll sichergestellt werden, dass alle Mitarbeiter Transparenz darüber haben, was von ihrer täglichen Arbeit auf welche Ziele einzahlt (Traceability).
  • Wir konnten auf Grund der aktuellen Situation (Corona-Pandemie) feststellen, wie schnell und erfolgreich wir mit der für uns neuen OKR-Methode, unsere Ziele anpassen konnten. Dabei wurde deutlich, dass es keine zusätzlichen Instrumente zum „Ausrollen“ von Veränderungen braucht, wenn alle Mitarbeiter diese Neuausrichtung mitgestalten.

Fazit

Wir sind gespannt, was der zweite Zyklus bringt. Aber klar ist, wir machen weiter!

Sie möchten in Ihrem Unternehmen OKR als agile Managementmethode einführen? Kontaktieren Sie uns für weitere Fragen. Wie freuen uns auf die Diskussionen.

 

Quellenverzeichnis:

[1] https://de.wikipedia.org/wiki/Objectives_and_Key_Results

[2] https://de.slideshare.net/plobacher/agiles-zielmanagement-und-modernes-leadership-mit-objectives-und-key-results-okr-dwx-2018-103898872 (Slide 27/63)

[3] Digital Leadership: Erfolgreiches Führen in Zeiten der Digital Economy S.246

[4] https://reinhard.one/blog/2019/08/objectives-key-results-okr-kein-agile-zombie/

[5] Objectives and Keyresults (OKR) – CheatSheet – DE (von die.agilen)

[6] https://www.die-agilen.de/okr/okr-framework